James Rebanks - Insel am Rand der Welt
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Ein Frühling in der rauen, wilden Natur einer einsamen norwegischen Insel - vom Autor des SPIEGEL-Bestsellers "Mein Leben als Schäfer"
Erscheinungstermin: 27. August 2025
304 Seiten, 13,5 x 21,5 cm

Drei Monate verbringt James Rebanks auf einer norwegischen Insel, wo im Frühjahr schwere Stürme toben, wo im kurzen Sommer die Sonne das Meer Tag und Nacht leuchten lässt, wo die Gezeiten das Leben bestimmen. Hier, auf der letzten Insel vor dem offenen, wilden Atlantik, begegnet Rebanks der alten Norwegerin Anna: einer zähen Frau, die ganz im Einklang mit der Natur lebt und sich weigert, sich von der Hektik der modernen Zeit vereinnahmen zu lassen. Im Lauf der Monate entwickelt sich eine innige Freundschaft zwischen ihnen, und James lernt von Anna, dass es sich lohnt, für das zu kämpfen, was einem wichtig ist.
MEIN Fazit:
Insel am Rand der Welt entfaltet sich wie ein sanfter Sturm, der zuerst nur am Rande spürbar ist und dann das Herz überrollt. Rebanks, bekannt aus Mein Leben als Schäfer, nimmt uns diesmal mit auf eine Reise an die äußerste Küste – eine norwegische Insel, an der Frühling sich gegen den Atlantik stemmt und jede Gezeitenbewegung zu einer leisen, aber beharrlichen Lehrstunde wird. Die Seiten atmen Salzluft, Rauch von offenen Kaminen und das unbestechliche Versprechen der Wellen, die niemals vergessen, wer sie sind: Urkräfte, die sich nicht beschwichtigen lassen.
Was dieses Buch für mich persönlich auszeichnet, ist die stille Kraft der Begegnung zwischen James und Anna. Drei Monate mit einer Frau, die ihr Leben im Rhythmus von Sturm, Ebbe und Flut geführt hat, bietet Rebanks nicht die übliche Heldengeschichte, sondern eine zähe, ehrliche Freundschaft. Anna verkörpert eine Lebensweise, die sich weigert, von der modernen Hektik vereinnahmt zu werden. Ihre Art zu hören, zu beobachten, zu handeln – das ist kein Lehrsatz, sondern ein echtes Vorbild: Es geht darum, im Hier und Jetzt präsent zu sein, Verantwortung für das zu übernehmen, was man liebt, und sich nicht in Konventionen oder Konsumgefechten zu verlieren.
Der Erzählton ist ruhig, fast poetisch, und doch ungeschönt. Rebanks schreibt in einem Rhythmus, der an die Meeresmuskeln erinnert: langsam, beständig, doch mit plötzlichen, fast schärfenden Momenten, wenn eine Erkenntnis durch die Szenerie schneidet. Diese Lyrik dient nicht der Schmeichelei, sondern der Reife: Der Roman ist eine Hymne an eine verschwindende Lebensweise, aber auch eine kluge, menschliche Gegenwartsanalyse. Er fragt: Was bedeuten es, eine Kultur zu bewahren, wenn sich Umweltbedingungen, Lebensgrundlagen und Bedürfnisse wandeln? Wie gelingt es, Würde und Bindung an die Natur zu bewahren, ohne in Nostalgie zu erstarren?
George Saunders nennt das Buch eine moderne Klassik, sanft, menschenfreundlich und fesselnd; Sydney Morning Herald beschreibt eine Fabel über Sehnsucht und Rettung einer sterbenden Welt. Beide Einschätzungen stimmen – nicht als flüchtige Reflexionen, sondern als Kern des Erzählens. Rebanks lässt uns spüren, dass Rettung nicht spektakulär sein muss; sie kann darin bestehen, einfache Rituale zu pflegen, ein Stück Land zu schützen, eine respektvolle Beziehung aufzubauen und das Gespräch mit der Natur ernst zu nehmen.
Die Insel wird zum Charakter: rau, schön, brutal ehrlich. Die letzten Inseln vor dem offenen Atlantik fungieren als Spiegel der inneren Landschaft, in der Zweifel, Mut, Verletzlichkeit und Entschlossenheit koexistieren. Die Freundschaft zwischen James und Anna wächst nicht in spektakulären Gesten, sondern in stillen Momenten – im Blick, im Gespräch, in der gemeinsamen Entscheidung, nicht wegzusehen.
Wer darüber nachdenkt, wie wir in einer sich rasch verändernden Welt bestehen, findet hier eine leise, aber kraftvolle Orientierung: Verantwortung heißt nicht, alles festzuhalten, sondern zu handeln, wo es darauf ankommt, und dabei menschlich zu bleiben. Insel am Rand der Welt ist mehr als ein Buch über Natur; es ist eine Einladung, den eigenen Lebensstil zu überdenken, mit Wärme, Weisheit und einer behutsamen Prise Staunen. Ein Buch, das bleibt – wie die Spuren der Gezeiten auf dem Kiesstrand.
Bild/Coverquelle mit freundlicher Genehmigung vom Randomhouse Verlag über das Blogger-Portal / Cover-Download
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